Die TSV-Bundesliga-Gewichtheber haben im Heimwettkampf gegen den AC Potsdam fast durchweg Saison-Bestleistungen geschafft – dennoch ging der wohl entscheidende Vergleich um den Klassenerhalt gegen die Landeshauptstädter mit 1:2 (673,5:676,0 Relativpunkte) knapp verloren.
Lucy Herweg und Paula Boese steigerte mit fast perfekten Auftritten (jeweils nur ein Fehlversuch) ihre bisherigen Punktbestwerte auf 98,0 (bisher 89,0!) bzw. 112,0 (bisher 109,0) Zähler und sorgten somit in beiden Teildisziplinen in der ersten Gruppe mit dafür, dass man den Landeshauptstädtern die Stirn bot. Auch Dennis Hansch (je ein Fehlversuch pro Disziplin) kam mit 106,0 Zählern letztlich über seine bisherige Saisonbestmarke. Die erste Gruppe mit je drei Hebern pro Team ging dadurch hauchdünn an die Schwedter (125,5:123,0 im Reißen; 190,5:189,0 im Stoßen).
Dabei drohte den Potsdamern zwischenzeitlich sogar ein „Blackout“, als Alexander-Ferdinand Fischer zweimal die Anfangslast im Reißen nicht zur Hochstrecke brachte. Im dritten Versuch erkämpfte er sich aber die Last und verhinderte eine frühzeitige Vorentscheidung zugunsten des Gastgebers in der mit Fans beider Lager durchaus gut besuchten Külzviertel-Sporthalle.
Doch die Mannschaft von Coach Jan Schulze wusste natürlich, dass insbesondere mit den beiden polnischen Hebern Przemyslaw Budek und Lukasz Legowski bärenstarke Konkurrenz in der zweiten Gruppe wartete. Umso erstaunlicher war dann, dass das zweite TSV-Trio die erste Teildisziplin mit 140,1:129,5 Relativpunkten für sich entschied. Die Schwedter sicherten sich damit im Reißen den ersten Team-Punkt des Abends und hatten insgesamt ein knappes Polster von 13,1 Zählern.
Trainer Jan Schulze aber ahnte es bereits vor dem Stoßen: „Dadurch, dass Potsdam die schwereren und damit lastenhöheren Athleten im Team hat, besitzen sie stets die Möglichkeit, die letzten Versuche nach uns auflegen zu lassen. Es wird schwer, den Vorsprung ins Ziel zu bringen.“
Die WM-Siebte Daniela Gherman aus Schweden erfüllte dann (fast) alle Hoffnungen im Schwedter Dress und ließ am Ende (nach Fehlversuch bei der letzten Stoß-Hebung) neuen Saisonbestwert von 146,0 Punkten gutschreiben, was gleichzeitig die höchste Zahl des Abends aller Heber blieb.
Alles versucht, um die Gäste zu fordern
Nachdem alle drei ACP-Athleten dieser zweiten Gruppe ihre ersten beiden Versuche im Stoßen gültig in die Wertung bringen konnten, wechselte auf der Anzeigentafel die Führung in Richtung der Landeshauptstädter: Sie lagen nun mit 676,0:665,5 Zählern fast uneinholbar in Front. Gherman misslang, wie erwähnt, die Steigerung um vier Kilogramm – so musste der TSV bei Tizian Kluth (er ersetzte im Stoßen Iwan Teterjatnik, der zuvor drei gültige Reißversuche mit starken 118 kg Endlast geschafft hatte) und Ken Fischer mindestens so steigern, dass man den ACP überholte, um den Fehdehandschuh für die letzten drei Gäste-Hebungen zu werfen. Für Kluth, der großartig kämpfte, war dann die 7kg-Steigerung aber doch zu viel. So half ein 8kg-Plus bei Fischer letztlich nicht mehr, um die Potsdamer einzuholen. Die blieben bei ihrer Punktzahl stehen, weil unter anderem zwei Heber auf ihre letzten Versuche verzichteten.
Schwedter Leistungen im Überblick: Daniela Gherman 146,0 Punkte (Reißen: 96 kg/Stoßen: 116 kg); Ken Fischer 117,8 (128 kg/164 kg); Paula Boerse 112,0 (76 kg/98 kg); Dennis Hansch 106,0 (112 kg/142 kg); Lucy Herweg 98,0 (72 kg/85 kg); Tizian Kluth 57,5 (-/156 kg) und Iwan Teterjatnik 36,2 (118 kg).
Ausländerregel wird wohl ausgehebelt
Fazit: Schwedt verlor mit 1:2 und übernahm vom AC Potsdam die „rote Laterne“ in der Tabelle, was gleichbedeutend mit dem Abstieg in die 2. Bundesliga sein wird. Die noch ausstehenden Wettkämpfe gegen den SV Germania Obrigheim am 11. März in eigener Halle (das Team aus Baden-Württemberg hat eine Saison-Teambestleistung von 850 Zählern) und abschließend beim AC Mutterstadt in Rheinland-Pfalz (Höchstwert 2022/23 von 821 Zählern) scheinen nach Lage der Dinge keine weiteren Punkte für die Oderstädter bringen zu können.
Personalpläne gingen leider nicht auf
Unter die Saison ist zwar noch kein Haken zu machen, ein vorzeitiges Fazit aber ist durchaus möglich: Die Heber, die mit großem Einsatz bei den bisherigen sechs Wettkämpfen jeweils auf der Heberbühne standen, konnten insgesamt das Leistungsniveau der Kontrahenten nicht erreichen. Besonders ärgerlich: Die Personalplanung vor der Saison ließ anderes erhoffen. Doch dann erwischte es das TSV-Aushängeschild Jon Luke Mau mit einer Langzeitverletzung, die überhaupt keinen Start in dieser Saison ermöglicht. Und die ausländischen Starter griffen praktisch nur sporadisch ins Geschehen ein. Auch gegen Potsdam hatte Coach Schulze auf den Schweden Jeon Vikingsson gerechnet (er war bisher nur zum Auftakt mit 128 Punkten dabei), der dann aber absagte. Omed Alam, mehrfach Punktbester beim TSV, musste auf Anweisung seines Heim-Coaches wegen der EM-Vorbereitung auf den so wichtigen Start gegen Potsdam verzichten. Der geringe Punktabstand gegen den ACP zeigt, dass ansonsten ein Heimsieg zweifellos gelungen wäre.
Ausländerregel wird wohl ausgehebelt
Im Sport aber zählen kein „hätte, wäre, könnte“ – die Realität zeigt sich bei den Gewichthebern an der Hantel. Und die spricht 2022/23 gegen den TSV. „Da der Verband signalisiert hat, die Ausländerregel aufzuweichen, sodass dann nicht zwei, sondern bis zu sechs nicht-deutsche Heber pro Wettkampf im Team eingesetzt werden können, werden wir in der neuen Saison dann eben in der zweiten Liga gegen den Großteil der besten deutschen Heber antreten“, lautet die realistische, wenn natürlich etwas schmerzende Vorausschau von Jan Schulze schon auf den Herbst.
(Jörg Matthies)